Jüdischen Leben im Nachkriegsdeutschland

Nach dem Kriegsende lebten 1945 etwa 60.000 Juden auf deutschem Boden, die hier als KZ-Häftlinge oder im Versteck überlebt hatten. Sie galten als "  Displaced Persons", da sie die Befreiung außerhalb ihres Heimatlands erlebt hatten. Sie lebten zumeist in sog. DP-Camps, großen Sammelunterkünften. Seit Anfang 1946 nahm ihre Zahl durch die Zuwanderung von Juden erheblich zu, die den Holocaust in osteuropäischen Ländern überlebt hatten. Bis Ende der 1940er Jahre bildeten sie zeitweise die größte jüdische Gemeinschaft in West-und Mitteleuropa.
Warum zogen so viele jüdische Überlebende ausgerechnet nach Deutschland, von dem der Völkermord an den europäischen Juden ausgegangen war? Welche Folgen hatte die NS-Verfolgung für sie und wie gingen sie mit diesen Belastungen um? Welche Rolle spielten die jüdischen DPs für die Entstehung des Staates Israel? 

Diesen Fragen geht der Vortrag ebenso nach wie der besonderen Rolle, die der Region um Celle zukam, befand sich hier doch mit dem DP-Camp Bergen-Belsen das größte jüdische DP-Camp in Europa und mit der jüdischen Gemeinde in Celle ab 1945 eine der grössten jüdischen Gemeinden in der britischen Zone.
Abschließend gilt der Blick den Charakteristika der deutsch-jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik nach Auflösung der jüdischen DP-Camps.
Thomas Rahe ist Historiker, Autor und Herausgeber und war bis 2023 wissenschaftlicher und stellvertretender Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen.

Unsichere Heimat Jüdisches Leben in Deutschland von 1945 bis heute

Morgen noch in Berlin oder schon in Jerusalem?

C. Bernd Sucher liest in der Synagoge

Ungefähr 95 000 Menschen in Deutschland gehören heute einer jüdischen Gemeinde an. Bei einer Gesamtbevölkerung von 83 Millionen ist das eine verschwindend geringe Zahl. Und doch steht diese Gruppe immer wieder im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Wegen der Shoah, antisemitischer Ausschreitungen, der israelischen Politik. In diesem Buch untersucht C. Bernd Sucher, wie es um die deutschen Jüdinnen und Juden steht. Dafür beleuchtet er sowohl Vergangenheit als auch Gegenwart und sucht in zahlreichen Gesprächen eine Antwort auf die Frage: Haben Juden in diesem Staat eine Zukunft – oder nicht?
„Es war nie einfach, als Jüdin oder Jude in Deutschland zu leben, und das ist es auch heute nicht. In gewisser Weise sind wir immer noch oder besser wieder im Zwischenzustand. Jüdisches Leben in Deutschland ist alles und nichts: Es ist ein Wunder, und es ist – zumindest ein bisschen – Normalität. Es ist Alltag und Ausnahmezustand. Es ist zugleich wundervoll und schwierig, motivierend und bedrückend.“
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern
C. Bernd Sucher ist Theaterkritiker, Autor und Hochschullehrer, war verantwortlicher Redakteuer für das Sprechtheater und Autor bei der Süddeutschen Zeitung, leitet daen Postgraduate-Studiengang "Theater-, Fernseh- und Filmkritik" an der Hochschule für Fernsehen und Film München.


Stolpersteinverlegung in Celle

Wieder verlegte der Künstler Gunter Demnig Stolpersteine. Dies mal

1. Zöllnerstraße, Nr. 5: Lieselotte Löwenstein
2. Zöllnerstraße, Nr. 35: Victor, Frieda, Hans-Werner, Kurt-Walter Roberg
3. Robert-Meyer-Platz, Nr. 3: Hans, Berta Lea und Ingeborg Salomon
4. Westcellertorstraße, Nr. 1: Gerhard und Grete Salomon





Kleines Sommerfest mit dem Stellana Duo

Gemeinsam mit der Evangelisch-Reformierten Gemeinde fand unserer „Kleines Sommerfest“ statt. Nach dem schwungvollen und unterhaltsamen Konzert des Stellano Duo aus einer Mischung zwischen jiddischer und israelischer Musik, aus Klezmer und Klassik von jüdischen Komponisten saßen wir noch gemütlich bei Wein und Käsecrackern und schönem Wetter zu angeregten Gesprächen bei der Evangelisch-Reformierten Gemeinde zusammen.

„Eine Formalie in Kiew"

Dmitrij Kapitelman kann besser sächseln als die Beamtin, bei der er den deutschen Pass beantragt. Nach 25 Jahren als Landsmann, dem Großteil seines Lebens. Aber der Bürokratie ist keine Formalie zu klein, wenn es um Einwanderer geht. Frau Kunze verlangt eine Apostille aus Kiew. Also reist er in seine Geburtsstadt, mit der ihn nichts außer Kindheitserinnerungen verbindet. Schön sind diese Erinnerungen, warten doch darin liebende, unfehlbare Eltern. Und schwer, denn gegenwärtig ist die Familie zerstritten.

„Eine Formalie in Kiew“ ist die Geschichte einer Familie, die einst voller Hoffnung in die Fremde zog und am Ende ohne jede Heimat dasteht. Erzählt mit dem bittersüßen Humor eines Sohnes, der stoisch versucht, Deutscher zu werden.

Dmitrij Kapitelman (* 1986 als Dmitrij Romashkan in Kiew) ist ein deutschsprachiger Schriftsteller, Journalist und Musiker. Mit acht Jahren kam er mit seiner Familie als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland. Er studierte Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Leipzig und absolvierte die Deutsche  Journalistenschule in München. Er lebt als freier Journalist in Berlin und macht unter dem  Künstlernamen Dheema Musik.

Israelbezogener Judenhass - das Echo der Vergangenheit

Israelbezogener Antisemitismus ist im 21. Jahrhundert die bei weitem häufigstse  und bereits breit akzeptierte Form des Judenhasses. Wir hören ihn als Hasssprache auf den Straßen, sehen ihn multipe im Internet, lesen ihn in den Medien und registrieren ihn in der Alltagskommunikation. Dabei ist Israelhass kein neues Phänomen, sondern untrennbar gekoppelt an die uralte Judenfeindschaft, deren Tradition auf dies Weise modern fortgeführt wird.
Der Vortrag erörtert anhand zahlreicher Beispiele, dass israelbezogener Antisemitismus alle Merkmale des klassischen Anti-Judaismus aufweist und daher als Echo der Vergangenheit zu bewerten ist. Judenfeindschaft ist eine kulturelle Kategorie, tief eingegraben in die abendländischen DNA.
Dass Israel, als das wichtigste Symbol für jüdisches Leben in der Welt, im Fokus aller Antisemiten steht, folgt der chamäleon-artigen Wandlungsdynamik von Judenhass, sich der jeweiligen Epoche oder Situation anzupassen. Der jüdische Staat steht als Hassobjekt im Fokus aller Antisemiten, gleich welcher ideologischen oder politischen Richtung.
Nach 2000 Jahren Ausgrenzung, Benachteiligung und Verfolgung erlaubt Israel genuin jüdische Lebensweise: Daher ist Israel der Stachel im modernen antisemitischen Geist.

Prof. Monika Schwarz-Friesel ist Antisemitismusforscherin an der TU Berlin und Autorin mehrerer Standardwerke zum aktuellen Judenhass (u. a. "Die Sprache der Judenfeindlichkeit im 21. Jahrhundert, gebildeter Antisemistismus, Judenhass im Internet"). Zuletzt erschien 2022 "Toxische Sprache und geistige Gewalt. Wie judenfeindliche Denk- und Gefühlsmuster seit Jahrhunderten unsere Kommunikation prägen."

„Das Regierungsprogramm des Himmelreichs"

Norbert Schwarz und Astrid Lange mit Prof. Wengst

Jesu Lehre auf dem Berg - traditionell als Bergpredigt bezeichnet - ist ein zentraler Teil des Matthäusevangeliums. In dessen Gesamtkontext ist Jesus Lehrer, aber auch endzeitlicher Richter und König. So lässt sich die Bergpredigt als Regierungsprogramm des. Messias Jesus verstehen. Sie soll umgesetzt werden von Jesu Schülerschaft, von der Gemeinde, geht aber intentional darüber hinaus. Am Ende des Evangeliums kommen "alle Völker" in den Blick: Nicht nur an Israel richtet sich Jesu Lehre, auch die Völker sollen mit Israel mitlernen. Dementsprechend erweist sich Jesus in seiner Lehre nicht als jemand, der "das Gesetz" überbietet oder abschafft, sondern er redet als Ausleger der Tora. Seine Aussagen stehen ganz und gar innerhalb des Judentums. Diese Auslegung der Bergpredigt richtet sich nicht nur an Theologinnen, sondern will dazu beitragen, Jesu Lehre auf dem Berg auch einem breiteren interessierten Publikum neu zugänglich zu machen.
Prof. Dr. Klaus Wengst, Evangelischer Theologe,1981 bis 2007 Professor an der Universität Bochum, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Walter Schiffer

„Du bist der Erde geschenkt!“
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass unser Planet geplündert wird und wir an die Grenzen des Wachstums stoßen. Ökologische Fragestellungen und unser Verhältnis zur Natur stehen deshalb zurzeit auf den vorderen Plätzen der Tagesordnung. Gangbare Wege werden gesucht und diskutiert.
In dieser Situation ist es interessant zu fragen, welches Verhältnis zur Natur sich im jüdischen Schrifttum zeigt. Welche Wege hat die Tradition zwischen den Polen „Macht euch die Erde untertan“ und „Dienet der Erde“ gefunden?
Ausgehend von den biblischen Quellen hat Walter Schiffer exemplarisch gezeigt, wie sich über Jahrhunderte Vorstellungen über den Umgang mit der Natur in den rabbinischen Schriften entwickelt haben, die auch auf die heute drängenden Aufgaben Antworten geben können.

Referent: Walter Schiffer M.A., M.Th., Universität Münster, Institut für Jüdische Studien

Jüdisch jetzt!
Junge Juden und Jüdinnen über ihr Leben in Deutschland.

Andrea von Treuenfeld

Die meisten Nichtjuden in Deutschland sind noch nie — oder zumindest nicht bewusst—einem jüdischen Menschen begegnet sind. Dementsprechend halten sich in der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft oftmals uralte Klischees oder bestimmen undifferenzierte Neuzuschreibungen das Bild.
Wie aber sieht das jüdische Leben im heutigen Deutschland wirklich aus? Wie fühlen sich Jüdinnen und Juden in diesem Land? Und was bedeutet eigentlich jüdisch, wenn man sie selbst danach fragt?

Die meisten Nichtjuden in Deutschland sind noch nie — oder zumindest nicht bewusst—einem jüdischen Menschen begegnet sind. Dementsprechend halten sich in der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft oftmals uralte Klischees oder bestimmen undifferenzierte Neuzuschreibungen das Bild.
Wie aber sieht das jüdische Leben im heutigen Deutschland wirklich aus? Wie fühlen sich Jüdinnen und Juden in diesem Land? Und was bedeutet eigentlich jüdisch, wenn man sie selbst danach fragt?

Andrea von Treuenfeld, hat in Münster Publizistik und Germanistik studiert und nach einem Volontariat bei einer überregionalen Tageszeitung lange als Kolumnistin, Korrespondentin und Leitende Redakteurin für namhafte Printmedien, darunter Welt am Sonntag und Wirtschaftswoche, gearbeitet. Heute lebt sie in Berlin und schreibt als freie Journalistin Porträts und Biografien.

No fear

Am 3. März 2024 wurde dem Pianisten und Aktivisten Igor  Levit im Kurfürstlichen Schloss in Mainz im Rahmen der Eröffnung der „Woche der Brüderlichkeit“ die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen. Die Laudatio hält Katharina von Schnurbein, Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission. Aus Anlass dieser Ehrung zeigen wir den Film „No fear“.
„Citizen. European. Pianist.“ – mit diesen Stichworten beschreibt Igor Levit sich selbst auf seiner Website. Die Reihenfolge ist Programm. Zuallererst begreift sich der als einer der besten Pianisten der Welt geltende Künstler als „Citizen“ – als Bürger. Dabei ist er nicht nur ein Bürger Deutschlands, sondern als „European“ einer, der sich als Teil dieses Kontinents mit seiner historischen Verantwortung versteht. Levit möchte vor allem als ein Mensch wahrgenommen werden, der politisch mitgestalten will. Entsprechend gehören für Igor Levit seine Musik und politisches Engagement zusammen. Er ist Pianist und Aktivist. Dafür hat er bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
Mit der Buber-Rosenzweig-Medaille hat der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) seinen Einsatz gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit, seien es Antisemitismus, Rassismus oder andere Formen der Diskriminierung, und für eine freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft gewürdigt.

Die Halacha: Recht als Wegbereiter religiöser Praxis im Judentum

Gut besucht war die Veranstaltung mit Alisa Bach, MA Jüdische Theologie, Mitglied der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover K.d.ö.R. und Leiterin der öffnentlichen Jüdischen Bibliothek Hannover. Sie gab eine moderne Binnensicht auf die Halacha (jüdische Gesetze und religiösen Vorschriften in ihrer Gesamtheit). Zur Sprache kamen die Grundzüge der Halacha und ihre Wirkungsweise in der jüdischen Praxis in Vergangenheit und Gegenwart. Es hat sich gezeigt, auf welche Weise ein Leben nach den Geboten mit Innerlichkeit und Freude verbunden ist und welchen religiösen Sinn die Halacha im Judentum hat.

Karl Wolfskehl - Eure Sprache ist auch meine. Gedichte aus dem italienischen Exil

Vorstellung des Buches und Lesung 

In seinem Gedichtzyklus Die Stimme spricht (1934/36), der im schweizerischen und italienischen Exil entstand, verarbeitete Karl Wolfskehl (1869-1948) nicht nur das persönliche Schicksal der Emigration, sondern begegnete auch der Anfechtung jüdischer Identität durch den Nationalsozialismus. Ralf Georg Czapla, Herausgeber der neuen Wolfskehl-Ausgabe und Literaturwissenschaftler an der Universität Heidelberg, gab Auskunft.

Der Vorstand konnte bekannte und neue Gäste zu der anregenden Lesung mit anschließender Diskussion im Direktorenwohnhaus begrüßen. Auf dem Foto v.l.n.r: Sabine Maehnert, Jürgen Nolte, Prof. Dr. Ralf Georg Czapla, Astrid Lange und Katja Hufschmidt-Bergmann.